Finkbeiners Kostprobe:
Über das Was und Warum lässt sich im Restaurant Benther Berg beherzt diskutieren – über das Wie mit Sicherheit nicht: Gäste kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.
Gleich der erste Gang spielt mit Geschmäckern, Texturen und Temperaturen: Jakobsmuscheln und Gambas (16,50 Euro) werden von Creme, Chutney und „Erde“ (eine Art Biskuit) vom Hokkaidokürbis sowie Kürbiskernen und pikanten Szechuan-Pfefferchips begleitet. Süße und saure, heiße und kalte, cremige und knusprige Elemente umspielen also die maritimen Hauptdarsteller.
Die Hummercremesuppe (9,90 Euro) ist demgegenüber ein tiefwürziges, samtig-rustikales Freudenfest in bester Bistromanier. Stundenlang könnte gelöffelt werden und der Tellergrund käme stets zu schnell in Sicht. Es fehlen nur ein paar saftige Hummerstückchen von bester Qualität als Einlage (was aufgrund des Preises nicht geht) und es wäre nahezu perfekt.
Gegessen haben wir die beiden Gerichte letzten Oktober im Restaurant Benther Berg im gleichnamigen Hotel. Auch aufgrund des klassischen Rahmens (mit Tischdecken, Stoffservietten, Gläsern) wäre daraus eine schöne Weihnachtskostprobe geworden. Der Rest der Geschichte ist ja bekannt. Immerhin bot uns die folgende Auszeit die Möglichkeit, das Lokal mit anderen saisonalen Produkten zu erleben – denn der zweite Besuch fiel auf letzten Montagmittag. Nix mehr Herbst also, fast Frühsommer. An der Grundausrichtung der Küche hat sich seither natürlich nichts geändert: Küchenchef und Hotelier Reinders Aggen kocht tendenziell klassisch, teils mit modernen Techniken und Anrichteweisen.
Klug modernisierte Klassik
Darunter fällt die leichte, würzige Vorspeise Eismeergarnelen im Kräutersud (15,50 Euro) mit Spargelsalat, roh marinierten Spargelstreifen, Kresse, Rucola und Tomatenvinaigrette, nur die mundfüllende Currycreme hätte man etwas pointierter einsetzen können. Mit aufdringlicher Süße, aber gutem Geschmack besticht die Spargelsuppe (9,50 Euro) mit geröstetem Parmaschinken. Und um hier bereits ein Dessert zu nennen: Die Variation von der Birne (8,50 Euro) ist eine ausgeklügelte Köstlichkeit, mit luftigem Birnenmousse, aromatischem Birnensorbet, Ingwerknusper, Honigcreme und Karamellgel – was spannende Ebenen hinzufügt. Und das ist alles keine abgehobene Kreativküche, sondern klug modernisierte Klassik.
Warum Dessert und Vorspeisen zusammen genannt werden? Weil sich die Gerichte stilistisch ähneln. Bei den Hauptgängen kommt dann klassische Drei-Komponenten-Küche zum Zug. Ein rosa gebratenes Kalbsmedaillon (34,90 Euro) wird mit Frühlingsgemüse und Kartoffelgratin serviert. Letzterem (sowie der Rotwein-Schalotten-Sauce) fehlt ein wenig Kraft und Würze. Ein gebratener Zander (27,50 Euro) liegt auf Kraut-Paprika-Gemüse, dazu gibt es Kartoffeln. Und keine Frage, die dazu gereichte Sauerrahmsoße ist herrlich, der Gesamtgeschmack ist gut – aber die Vorspeisen haben dann doch etwas andere Signale gesendet. Warum besetzt die Küche bei den Hauptgerichten eher Allgemeinplätze und zeigt nicht deutlicher eine Handschrift?
Aggen kann es doch. Das beweisen die Vorspeisen und der Blick in seinen Lebenslauf: Er war in der Sternegastronomie tätig und erforschte in Los Angeles die Geheimnisse von Sushi – die übrigens kommende Woche mit einer Extrakarte gehuldigt werden. Versucht der Küchenstil die unterschiedlichen Bedürfnisse von Stammpublikum, Hotelgästen und Genusspilgern unter einen Hut zu bringen? Lassen wir es dahingestellt sein. Zeit nämlich, dass der Service in Erscheinung tritt. Viel zu spät in diesem Text, so freundlich wie die Mitarbeiter sind. Und engagiert obendrein: Denn nicht nur, wenn etwas auf dem Teller zurückbleibt – wie etwa unsere übermächtigen Wirsingrouladen (19,50 Euro) – ist man aufmerksam und hakt nach.
Ist die Zeit da, füllt Serviceleiter Fuh Kuo seine Gastgeberrolle mit Bravour aus, plaudert mit den Gästen und zieht sich schnell zurück, wenn das Essen an den Tisch kommt. Das spricht schließlich für sich. Zum Beispiel der mustergültige Spargel mit zwei kleinen Schweineschnitzeln (32 Euro). Da greift der experimentierfreudige HAZ-Feinschmecker zwar zu den Dips, die als Häppchen vorab mit Brot gereicht wurden, und bestreicht den Spargel versuchsweise mit Gurkencreme, Currymayonnaise und Kräuterbutter, um dann festzustellen: Kann man machen, aber Hollandaise und zerlassene Butter betonen den Eigengeschmack des Spargels einfach besser. Im Benther Berg führen also alte und neue Wege zum Genuss.
Fazit: 8/10
Klassische, frische und grundsolide Handwerksküche, spannend sind die Gerichte mit modernen Akzenten, einen Ausflug wert!
Quellenangabe: HAZ vom 29.05.2021