Südlink: Landwirte erwarten massive Bodenschäden.
Die Stromleitung Südlink soll laut Bundesnetzagentur auch dicht an Gehrden vorbeiführen. Landwirt Steffen Mogwitz aus Ditterke ist davon betroffen. Er erwartet dauerhafte Bodenschäden und Ertragseinbußen.
Auf die Frage nach möglichen Folgen einer unterirdischen Stromleitung in landwirtschaftlichen Feldern, antwortet Steffen Mogwitz ohne zu zögern. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Geschäftsführer eines landwirtschaftlichen Betriebszusammenschlusses, zu dem auch Felder in Ditterke gehören. Mogwitz weiß inzwischen: Die geplante Stromtrasse Südlink soll auch in diesen bislang fruchtbaren Böden verlegt werden. Von der Bundesnetzagentur ist jetzt der Korridor für die umstrittene Windstromleitung genehmigt worden. Der Verlauf des knapp 700 Kilometer langen Erdkabels soll Energie von der Nordsee in die süddeutschen Ballungsräume transportieren. Das Problem: Der einen Kilometer breite Korridor umkurvt im Osten und Norden auch die Gehrdener Kernstadt. Mogwitz erwartet wegen der Starkstromkabel langfristige Bodenschäden, Ertragseinbußen, gefährlichen Elektrosmog und eine „völlig unangemessene Entschädigung“.
„Unser Betriebsteil in Ditterke wird von dem Korridor zu 90 Prozent durchschnitten“, sagt Mogwitz. Das bedeute: „Sämtliche Drainagen werden durchbohrt. Der Wassertransport wird in den nächsten 100 Jahren nicht mehr so gut sein, wie er jetzt ist“, sagt der Landwirt. Außer den massiven Strukturschäden im Boden rechnet Mogwitz aber auch mit erheblichen Ertragseinbußen. „Am Stromkabel wird im Erdreich eine Temperatur von 40 bis 50 Grad Celsius herrschen. Dadurch wird es stellenweise nur noch möglich sein, etwa 30 bis 40 Prozent der bisherigen Erträge einzufahren“, sagt er. Einbußen seien auch wegen temperaturbedingter Pilzkrankheiten zu erwarten. „Die können den gesamten Kartoffelbestand eines Feldes infizieren und auch die Qualität der Ernte deutlich mindern“, Auf die Frage nach Ausgleichszahlungen antwortet Mogwitz ebenfalls ansatzlos: „Die Entschädigungen sind doch nicht ausreichend.“ Es sei ein Ausgleich geplant, der auch bei der Verlegung von Wasserleitungen gezahlt werde. Vor dem Hintergrund der deutlich schlimmeren Ertragseinbußen sei das völlig unangemessen.
so der Landwirt.
Strommasten wären für Landwirte weniger problematisch
Bis die sogenannte Stromautobahn genutzt werden kann, wird es aber noch dauern: Laut Bundesnetzagentur soll sie 2026 in Betrieb gehen. Die Übertragungsnetzbetreiber Tennet und TransnetBW beziffern die Investitionskosten für Südlink auf 10 Milliarden Euro. Wo genau im nun festgelegten Korridor die Leitung verlegt wird, soll sich erst bei der Feinplanung entscheiden. Fest steht aber: Oberirdisch soll es einen Schutzstreifen von 25 Metern geben. Wo keine Flüsse verlaufen, liegen die jeweils 15 Zentimeter dicken Kabelstränge 1,5 Meter tief im Boden. Der anfängliche Protest ist ruhiger geworden, seit die Trassenbetreiber unter dem Druck der Politik zugesagt haben, weite Teile der Anlage unter die Erde zu legen.
Genau das ist für Landwirt Mogwitz ein Problem. „Die Energiewende und Windstrom sind wichtig, aber gegen eine Oberleitung hätte ich mich aus landwirtschaftlicher Sicht weniger gewehrt“, sagt er. Die Entfernung vom Boden zu den Kabeln wäre deutlich größer und das Projekt deutlich günstiger. Für Spaziergänger und Fahrradfahrer wäre die Belastung durch Elektrosmog zudem auch wesentlich geringer, glaubt Mogwitz. Der Hintergrund: Während für die ursprünglich geplanten 80 Meter hohen Strommasten Abstandsregeln zu Wohngebieten gelten sollten, ist für die Erdverkabelung keine Distanz garantiert. Bislang weiß niemand, wie stark der elektromagnetische Smog sein wird.
Mehr Wertschätzung für seltene Tierarten als für landwirtschaftliche Böden
Mogwitz kritisiert auch die grundsätzlich viel zu geringe Wertschätzung von Ackerböden in Planungsverfahren. Auf naturschutzrechtliche Bestimmungen und seltene Tierarten sowie Wohnbebauung werde deutlich mehr Rücksicht genommen. Deshalb habe sich die Bundesnetzagentur auch nicht für die ebenfalls mögliche Trassenroute im Osten Hannovers entschieden. „Ackerbau ist in Deutschland kein Hindernis bei Bauprojekten. Jeder Kiesteich und karge Trockengrasflächen werden hochwertiger eingeschätzt“, sagt Mogwitz. Hoffnungen auf ein Umdenken hat er nicht. „Man kann im Planfeststellungsverfahren Einwände und Bedenken vorbringen, aber das hat wenig Aussicht auf Erfolg“, weiß der Landwirt.
Bürgermeister hofft auf faire Lösungen
Auch dass die Pächter von landwirtschaftlichen Flächen, unter denen die Kabel verlaufen, nicht entschädigt werden, sondern nur die Eigentümer, hat viel Ärger ausgelöst. In Gehrden sind laut Mogwitz wegen der „unangemessenen Entschädigungen“ trotzdem mehrere Landwirte und Besitzer betroffen. Gehrdens Bürgermeister Cord Mittendorf hofft auf faire Lösungen. „Ich wünsche mir, dass Tennet und die Bundesnetzagentur mit dem Landvolk und den Verbänden Einigungen erzielen, wenn es zu langfristigen Beeinträchtigungen kommen sollte“, sagt Mittendorf.
Für ihn wäre ein anderer Trassenverlauf auch „wünschenswert“ gewesen. Er sei aber erleichtert, dass mit Unterstützung der Politik keine Megastrommasten, sondern eine Erdverkabelung geplant sei. „So werden wir das rund um Gehrden optisch wohl nur während der Bauzeit wahrnehmen“, sagt der Bürgermeister. Den Korridor entlang dem Stadtgebiet bezeichnet er als einen „Gehrdener Beitrag zur Energiewende“. Es sei nach der Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk Fukushima der mehrheitliche Wille in der Bevölkerung gewesen, künftig auf alternative Energien zu setzen.
Von Ingo Rodriguez